Wirkung von Anfang an: Die ersten 10 Tage eines Interim Management Projektes

René Bollier

René Bollier wird als Interim Manager gerufen, wenn unternehmerische Veränderungen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen müssen. Seine Auftraggeber wollen die Ziele von Neupositionierungen und Reorganisationen realisieren, Widerstände auflösen, festgefahrene Leistungsziele erreichen, ins Stocken geratene Internationalisierungsprojekte auf Kurs bringen, das Potential geplanter Synergien von Akquisitionen ausschöpfen und Konflikte divergierender Unternehmenskulturen lösen. Studium BWL, Universität St. Gallen, Schweiz. 2011: Auszeichnung als Interim Manager des Jahres. 2018-2019: Präsident des Branchenverbandes DSIM (Dachverband Schweizer Interim Manager).

Gerade die Anfangsphase eines neuen Interim Management Projektes ist richtungsweisend für den Projekterfolg. Interim Manager René Bollier erzählt aus seiner Praxis: Was tut ein Interim Manager in den ersten Tagen? Aber auch: Was ist Aufgabe des Mandanten?

Ein guter Interim Manager erzeugt schon am ersten Tag Wirkung. „Das ist unmöglich!“, werden Skeptiker einwerfen. Immerhin gewährt man einem festangestellten Manager üblicherweise 100 Tage Einarbeitungszeit. Eine tatsächliche Wirkung erwartet man kaum vor Ablauf eines halben Jahres.

Ein Interim-Projekt ist aber kein „business as usual“. In einem befristeten Zeitrahmen muss vom Interim Manager gemeinsam mit allen Beteiligten Ausserordentliches geleistet werden, um die vom Auftraggeber gesetzten – meist dringlichen – Ziele zu erreichen. Damit ist es zwingend, dass der Break Even zwischen Lernphase und Wirkung eines Interim Managers viel früher als bei einem Festangestellten einsetzt.

Ein Interim Manager ist darauf spezialisiert, in besonderen und unerwarteten Situationen eingesetzt zu werden. Er profitiert von einer neutralen und objektiven Sichtweise („von aussen“) und seiner eigenen Agenda, die keinerlei persönliche (Karriere-) Interessen beinhaltet. Es geht nur um die Sache. Dies befähigt ihn sehr rasch, gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungsansätze zu entwickeln und mit hoher Akzeptanz auch durch- und umzusetzen. In dieser Rolle kann ein „Leistungsdruck“ für die Teams – und auch für sich selbst – während der gesamten Mandatsdauer hochgehalten werden. Es gibt kaum Raum oder Zeit für grössere Korrekturen oder Neuanfänge. Umso entscheidender ist deshalb ein gelungener Start.

Vorbereitung vor Projektbeginn

Die Arbeit eines Interim Managers beginnt schon vor dem Antritt im Unternehmen vor Ort. Sie startet mit einer klaren Skizzierung des Projektes und dessen Ziele. Problematisch ist der Wunsch mancher Auftraggeber, im Vertrag spezifische, klar formulierte Ziele festzuschreiben In vielen Fällen können die Unternehmen das Problem, das sie lösen wollen oder dessen Ursachen und Begleiterscheinungen, aber nur vage beschreiben. Ich empfehle daher, vor Mandatsbeginn nur grobe Ziele abzustecken und einen „Sollzustand“ zu definieren. In dieser Diskussion versuche ich, die Denkweise und die Werte meines Auftraggebers zu internalisieren. Dieses Verständnis ist wertvoll, vermittelt es mir doch für später den richtigen Handlungsleitfaden – auch ohne detaillierte Absprache. In manchen Mandaten investieren meine Kunden bereits vor Vertragsunterzeichnung 1-2 Tage in eine gemeinsame Zieldefinition.

So entsteht Verständnis füreinander und eine von allen Seiten getragene Übereinkunft.

Kalibrierung der Zusammenarbeit

Auftraggeber tragen entscheidend zum Gelingen des agilen Starts bei, indem sie persönlich sicherstellen, dass in der Startphase die wichtigsten Managementmitglieder vor Ort persönlich verfügbar sind. Ihre Aufgabe am ersten Tag ist es, die Bedeutung des Projektes und des Interim Managers mit aller Entschiedenheit zu vermitteln. Das heisst nichts anderes, als den Interim Manager klar zu bevollmächtigen.

Die Auftraggeber sollten zudem für den Interim Manager erreichbar und zugänglich sein. Wenn in den ersten 10 Tagen Feinabsprachen nötig sind, müssen diese zeitnah getroffen werden können. Das ist ein wichtiger Beitrag zum Kalibrieren der Zusammenarbeit.

Ab Tag 1 steht dann die Plausibilisierung der Vorgaben und die Konkretisierung des Plans im Vordergrund:

  • Sprechen mit sämtlichen Schlüsselleuten ebenso wie mit zufällig gewählten Mitarbeitern im Prozess.
  • Verständnis finden für das Funktionieren der Schnittstellen im Unternehmen.
  • Testung der Durchgängigkeit von Vision, Strategie und Zielen indem Leute auf allen hierarchischen Ebenen danach befragt werden.
  • Überprüfung der Problemwahrnehmung und der Dringlichkeit auf allen Stufen.
  • Verstehen der Faktenlage und der Planabweichungen: Kennzahlen, Projektpläne und Operationspläne.

Das Resultat ist ein konkretisiertes Konzept. In manchen Unternehmen folgt dann noch ein offizielles Kick-off mit dem Auftraggeber (bzw. Geschäftsführung oder Vorstand) und in der Folge mit der Belegschaft am Ende der zweiten Woche.

Saubere Kommunikation

Selbstverständlich entsteht mit dem Erscheinen des Interim Managers zunächst Verunsicherung in der Organisation. Diese gilt es sofort zu überwinden. Im Gegenteil zu Projekt- oder Überbrückungssituationen, in denen Verstärkung sehnlichst erwartet wird, begegnet bei einschneidenden Veränderungen v.a. das Management dem Interim Manager oder dem Projekt oft ablehnend gegenüber.

In meiner persönlichen Erfahrung mit Unternehmen, die „vermanaged“ wurden, hatte sich allerdings in der Belegschaft bereits eine Erwartungshaltung entwickelt, dass sich etwas verändern müsse, positiv oder negativ. Diese Verunsicherung ist eine einmalige Chance und muss vom Interim Manager und vom Auftraggeber genutzt werden, den ersten Schritt des Wandels zu initiieren. Die Kommunikation ist daher knapp, gibt aber klar Richtung:

  • Warum der Wechsel, weshalb bin ich da?
  • Welches ist die Erwartung der Auftraggeber / der Eigentümer / der Konzernleitung?
  • Was haben die Mitarbeiter in den kommenden Wochen zu erwarten?
  • Was passiert als nächstes und wann gehe ich damit auf die betreffenden Mitarbeiter zu?

Vertrauen festigen

In allen meinen Mandaten hat sich nach Ablauf der ersten 10 Tage bereits eine Vertrauensbasis entwickelt. Ablehnung wird zu einem „schau’n wir mal“ umgedreht. Damit werde ich zwar mit Vorsicht, aber in der Regel recht offen, in den täglichen Ablauf integriert.

Als Resultat habe ich nach 10 Tagen nicht nur eine Analyse der Situation, sondern auch ein recht gutes Verständnis für die Unternehmenskultur gewonnen. Ich weiss, auf wen ich im Projekt setzen kann, wer nur passiv zuschaut und wer dagegen arbeiten wird. Nebst dem konkretisierten Konzept habe ich auch eine Liste von Quick Wins definiert. Diese überschaubaren Aktionen festigen das Vertrauen der Mitarbeiter als Basis für die anspruchsvollen Aufgaben die im Unternehmen in den folgenden intensiven Monaten zu meistern sind.