Die Arbeitsphase eines Projektes:

Kritischer als man denkt!

Interim Manager Dr.-Ing. Martin A. Schütz

Interim Manager Dr.-Ing. Martin A. Schütz engagiert sich als Interim Geschäftsführer / CCO / CTO / CRO sowie als Programm-Direktor für den Erfolg seiner Kunden in der Produktentwicklung, Industrialisierung, Verlagerung / Aufbau von Fertigungsstandorten und in der operativen Werksführung.

Zwischen erfolgreichem Start und professionellem Projektabschluss liegt eine harte Zeit. In dieser Arbeitsphase wird die eigentliche Projektarbeit geleistet, wobei die Herausforderungen unbestritten hoch sind. In aller Regel hat man sich „arrangiert“: Kunde und Interim Manager können miteinander arbeiten. Doch es bestehen viele Stellschrauben, die den Unterschied zwischen einem „gut“ und einem „ausserordentlich erfolgreich“ laufenden Projekt ausmachen. Selbst ein Scheitern ist in dieser Phase möglich. Die Hürden lassen sich jedoch mit einem klugen Vorgehen und einer besonnenen Arbeitsweise meistern.
Autor: Dr. Martin Schütz.

Aus den Erfahrungen des Autors sind drei Anzeichen für den Beginn der mittleren Projektphase typisch. Je nach Mandat ist dieser Zustand nach einigen Tagen, jedoch spätestens nach den ersten sechs Wochen, erreicht:

(1) Es gibt einen Arbeitsmodus mit regelmäßigen Meetings. Der Interim Manager ist Teil des Geschehens im Unternehmen. Aufgaben und Verantwortungsbereich sind definiert und kommuniziert.

(2) Unternehmensleitung und Interim Manager haben sich kennen gelernt. Besser gesagt: Sie glauben es zumindest. Beide Seiten erwarten nun Ergebnisse.

(3) Die Mitarbeiter erkennen den Interim Manager als ihren projektbezogenen Chef.

Das der Interim Manager trotzdem nicht im ruhigen Fahrwasser ist, zeigen die überproportional hohen Projektabbrüche in dieser Phase. Gerade wenn es nun „zur Sache“ geht, lauern Fallstricke, Missverständnisse und durchaus auch schon einmal persönliche Gemeinheiten auf den engagierten Interim Manager. Die Zeit des Beschnupperns, des Einarbeitens ist endgültig vorbei. Es ist wichtig, mit all diesen Widerständen und Hindernissen zu rechnen. Der Interim Manager muss daher seine Arbeitsweise aus der Startphase umstellen. Die besondere Herausforderung in dieser Phase ist das Arbeiten, bzw. das Optimieren, in einer dreidimensionalen Herausforderung:

Die mittlere Phase eines Interim Management Projektes ist die eigentliche Arbeitsphase. Sie folgt der von René Bollier (Seite 8-9) dargestellten Startphase und endet genau an dem Tag, an welchem die Entscheidung zum Abschluss und / oder zum Nachfolger getroffen wird. Dann muss der Interim Manager erneut seine Arbeitsweise umstellen. Die idealtypische Schlussphase wird von Eckhart Hilgenstock auf den Seiten 14 bis 17 beschrieben. Die Übergänge zwischen den Phasen erfolgen gleitend.

Es lauern Fall­stricke und Miss­ver­ständ­nisse!

Dimension 1: Die Mitarbeiter

Der Interim Manager ist zwar in seiner Aufgabe ein „Einzelkämpfer“, braucht jedoch seine Mannschaft. Für den Erfolg muss er zielsicher die leistungsstarken Mitstreiter identifizieren und einbinden. Also muss er es bis zu dieser nun anstehenden Arbeitsphase seines Projektes geschafft haben, ein Team von Vertrauten aufgebaut zu haben (quasi seine „Leibgarde“). Wem das zu martialisch ist, sei die Illusion genommen, dass sich Veränderungen ohne Widerstand erreichen lassen. Auch die bisherigen Verantwortlichen werden nicht so einfach ihre Fehler eingestehen, ihre Posten räumen oder sich aus Ihren Machtbereichen und Einflusszonen zurückziehen.

Und damit kommen wir zum nächsten Aspekt in Sachen Mitarbeiter: Als Interim Manager zerstören wir teilweise bewusst bisherige soziale Strukturen in der Belegschaft. Da gibt es immer den einen oder anderen, der ja bisher recht gut mit der Situation gelebt hat. Erfahrungsgemäß werden diese Leute selten offen rebellieren. Sie werden subtil auf Zeit spielen und jede Gelegenheit zur Fortsetzung des Bisherigen nutzen. Für diejenigen, die den Weg der Veränderungen nicht mitgehen können oder wollen, müssen jetzt Lösungen gefunden und auch durchgesetzt werden. Dameine ich nicht unbedingt die Freisetzung solcher Mitarbeiter. In unserer Arbeit ist der Zeitdruck enorm und allgegenwärtig. Wir müssen uns also sehr genau überlegen, wie viel Energie wir investieren, um Gegenspieler zu „bekehren“.

Nach meiner Erfahrung ist es für den Erfolg des Unternehmens – und damit auch der Mitarbeiter und ihre Arbeitsplätze – viel wirkungsvoller, die Leistungsträger und High-potentials aktiv zu fördern als die Low-performer zu „pampern“. Nehmen wir einmal an, wir setzen uns mit zwei Mitarbeitern nur 30 Minuten pro Tag zusammen. Nach zwei Monaten können wir bei beiden eine Steigerung von 20 Prozent feststellen. Ein schöner Erfolg? Der eine hat bisher schon 100 Prozent seiner Arbeit geleistet. Der andere nur ein Drittel, inkl. Nacharbeit und Fehlerkorrekturen. Damit haben wir mit dem Zuwachs des Leistungsträgers in dieser kurzen Zeit schon zwei Drittel der Performance des anderen erzielt, wohlgemerkt mit gleichem Aufwand.

Gerade wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten ist oder schnelle Erfolge notwendig sind, ist es wichtig, seine Aufmerksamkeit auf die Leistungsträger zu konzentrieren – und mit diesen gemeinsam die ersten und wichtigsten Schritte in die neue Richtung zu gehen. Das kann auch bedeuten, sich gerade zu Anfang der Arbeitsphase konsequent von Low-Performern zu trennen, wenn diese als solche erkannt werden. Wenn sich jedoch die Situation stabilisiert hat, die Leistungsträger selbständig arbeiten und die neuen Prozesse wirkungsvoll unterstützen, müssen auch die übrigen Mitarbeiter Zug um Zug mehr einbezogen werden.
Für die „unverbesserlichen Gegenspieler“, die jedoch aus unterschiedlichen Gründen gehalten werden sollen, hat sich in der Praxis folgendes bewährt: Lassen Sie ihnen neue Arbeitsgebiete oder -schwerpunkte zukommen, bei welchen sie den Veränderungsprozess nicht mehr behindern – und dennoch zum Erfolg des Unternehmens betragen können. Das ist die hohe Kunst.

Dimension 2: Die Unternehmensführung und die Fachbereichskollegen

Jetzt wird es spannend: Die Ebene der Unternehmensführung und der Fachbereichskollegen ist für den Interim Manager nicht nur ein vermintes Terrain, sondern meist auch sehr glattes politisches Parkett. Oft wurde die bisherige Führungsmannschaft nämlich nur marginal verändert. Der eine oder andere Leiter ist ggfs. auch neu an Bord. Auf der anderen Seite gibt es einen oder zwei „Sponsoren“ des Interim Managers.

Für die ersten beiden Gruppen (also die schon länger tätigen und neuen Führungskräfte) ist es typisch, dass sie in erster Linie Partikularinteressen verfolgen: „What’s in for me?“

Von einer unvoreingenommenen und proaktiven Unterstützung kann der Interim Manager nicht ausgehen. Manche Führungskräfte sind nämlich (meist hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen) ein Teil des aktuellen Problems, zu dessen Lösung wir geholt wurden. Und andere (die relativ neuen Führungskräfte des Hauses) wollen sich verständlicherweise erst einmal in ihrer eigenen neuen Führungsrolle beweisen und Erfolge ausweisen. Gleichzeitig ist es das explizite Anliegen unserer „Sponsoren“, dass sie selbst mit dem Engagement und der Unterstützung des Interim Managers (und ggfs. auch mit dem Wirksamwerden unserer besonderen Rolle als Externer) ihre eigenen Ziele erreichen. Dem kann der Interim Manager nicht ausweichen, sondern muss die Situation professionell nutzen. „Cui bono?“ ist kein Misstrauen gegenüber dem Auftraggeber, sondern Bestandteil der Arbeitsweise erfahrener Interim Manager.

Nach der Schonfrist zu Anfang des Mandats erwartet die Unternehmensführung nun die „Erfolge“ des Interim Managers; und meistens will man dabei auch noch „Ruhe im Laden“ haben.

Je nach Geduld und Erwartungshaltung ist der Interim Manager gefordert. Kommt er zu langsam voran und/oder macht die Erfolge unzureichend sichtbar, hat er schon verloren. Seine Sponsoren werden sich von ihm abwenden, weil sie die Fortschritte vermissen und sie gleichzeitig von den anderen Führungsmitgliedern subtil vorgeführt werden „der bringt doch nichts …“.

Geht er jedoch im Interesse seiner „Sponsoren“ zu rabiat vor, bringt man diese ebenfalls in Schwierigkeiten. Dann müssen sie ständig die Scherben wegräumen. In diesem Spannungsfeld ist also Flexibilität und manchmal auch Empathie gefragt – ohne dabei den eigenen Weg zu verlassen.

Die Unter­nehmens­füh­rung erwar­tet Er­folge und Ruhe im Laden!

Fünf Empfehlungen für die Praxis:

Aus den langjährigen Praxis-Erfahrungen des Autors nachfolgend fünf zentrale Empfehlungen:

(1) Achten Sie konsequent auf die Kommunikation auch kleiner Erfolge. Ordnen Sie diese der vereinbarten Strategie zu. Kommunizieren Sie den Arbeitsstand, arrangieren sie dazu regelmäßige Meetings. Ihr Auftraggeber will sich verstanden und unterstützt fühlen! Halten Sie sich in Ihrer Eigenwürdigung maximal zurück.

(2) Schreiben Sie KEINE Romane! Verwenden Sie ausschließlich belegbare, am besten von anderen Fachbereichen validierte Fakten! „KISS – keep it simple and stupid“ kann nicht genug betont werden. Kaum ein Top-Manager liest heute mehr als eine Seite!

(3) Suchen Sie den Schulterschluss mit den Fachbereichskollegen, damit sie Ihr Vorhaben unterstützen.

(4) Wo es sich für die Sache lohnt, seien Sie hart und scheuen Sie nicht die Auseinandersetzung.

(5) Beziehen Sie bei heiklen Entscheidungen oder Aktionen immer Ihren Auftraggeber persönlich vorher mit ein. Ihn ins Boot zu nehmen, ist zum einen gut für die Vertrauensbeziehung. Zum anderen kann er Sie auch auf Aspekte hinweisen, die Ihnen als Externer, der noch nicht so lange im Unternehmen ist, nicht sichtbar sind. So können Sie das vorher noch berücksichtigen und sich darauf vorbereiten. Gerade in diesem Zusammenspiel und mit voller Rückendeckung Ihrer „Sponsoren“ entstehen die besten Lösungen mit höchster Akzeptanz und Durchsetzung.

Fachlich über­zeu­gen­de Kom­pe­tenz ist die Ge­schäfts­grund­lage.

Dimension 3: Die Expertise

Für den Projekterfolg eines Interim Managers spielen seine Skills eine wichtige Rolle. Hervorheben möchte ich die persönliche Bereitschaft und Fähigkeit, ein Leben lang zu lernen. Gerade die anspruchsvolle Projektarbeit und die Umsetzung von Veränderungen erfordern bei Interim Managern ausgereifte Skills im Managen von Komplexität und von Anpassungen im Bereich der Führungs- und Unternehmenskultur. Der Erwerb, Erhalt und Ausbau der benötigten Soft-Skills und Methoden ist eine große und kontinuierliche Herausforderung. Jeder Interim Manager ist daher gefordert, als Mensch und Führungspersönlichkeit ständig zu wachsen. Nur eine starke persönlich-menschliche Basis ermöglicht es, die nötigen Systeme bei Kunden aktiv mit zu gestalten, um die Projekte ins Ziel zu bringen.

Die zuvor aufgezeigten Widerstände und notwendigen Kompetenzen, die Beteiligten einzubinden, sprechen eine klare Sprache.

Die Geschäftsgrundlage zwischen Kunde und Interim Manager ist jedoch eine fachlich absolut überzeugende Kompetenz; aus meiner Sicht auch noch kombiniert mit „Stallgeruch“ aus der Branche. Die wirtschaftlichen Ergebnisse eines Unternehmens in der Industrie basieren auf fachlich-inhaltlicher Kompetenz und Innovation in einem oder mehreren Fachgebieten, Produkten bzw. Marktsegmenten. Und da zählen die harten Fakten – also „bottom line“. Es wird erwartet, dass der Interim Manager im Fachgebiet kompetent mitreden kann. Letztendlich entscheiden die richtigen fachlichen Entscheidungen über den Erfolg. Ein plakatives Beispiel: Ein Interim Manager, der neue CAD-Methoden nur von Hörensagen kennt, wird kaum ein Restrukturierungsprojekt im Engineering professionell führen können. Auch die Mitarbeiter respektieren keinen Unkundigen, erst recht nicht als Interim Manager.

Zwei Geständnisse:

Der Autor gesteht, dass er eher dem „konsequenteren Kreis“ der Interim Manager angehört. Ein politischer Schmusekurs gehört nicht zu seinen Stärken. Jedoch bestätigen die vielfältigen Erfolge in den Mandaten des Autors (ohne „Crash“ oder gar Abbruch) die Richtigkeit seines Vorgehens.

Gleichzeitig gesteht der Herausgeber dieser Kundenzeitschrift, dass es in der Projektbegleitung der letzten fast 20 Jahre regelmässig zu seinen Aufgaben als Provider gehörte, gerade an dieser Stelle die Wogen zu glätten. Das ist für alle Seiten belastend. Solche „Eskalationen“ sind jedoch kein Resultat der suboptimalen Auswahl des Interim Managers durch den Provider. Im Gegenteil: Gerade die stärksten und besten Interim Manager kämpfen für ihre Resultate. Eine von beiden Seiten (Kunde und Interim Manager) respektierte Instanz kann wesentlich dazu beizutragen, die hochkommenden Emotionen und Erwartungshaltungen in konstruktive Kanäle zu lenken! Meist wird am Ende des Projektes diesen Vorkommnissen mit einem Schmunzeln gedacht – und man ist froh, sich diesen „Konflikten“ gestellt zu haben. In vielen Fällen entstanden gerade dadurch wesentliche Learnings für die Organisation.